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.»Er war ja recht sportlich & er trainierte seine Kniekehlen undGesäßmuskeln mit einem schönen Umberto-Dei-Rad.Mögen SieFahrräder?«Desinteressiert zuckte die Sekretärin mit den Achseln.Stucky stellte sich Speggiorin als großspurigen und dickfelligen Mannvor.Sein Büro war ein anonymer Kasten: neue Möbel, graue Aktens-chränke, ordentliche Papierstapel auf dem Schreibtisch.Nichts Persön-liches, kein Foto, auch kein Nagelknipser oder Heiligenbildchen.Nichteinmal ein schöner Füllfederhalter, etwa ein Mont Blanc für Ingenieure.Nichts.Der Inspektor blätterte herum.Aufträge, Scheine, Rechnungen.Produktanalysen.Analysen des Rauchs, der aus den Schornsteinenaufsteigt.Er betrachtete den Bonsai in der Nähe des Fensters, der erschrockenaussah.Bonsais sehen immer ein bisschen erschrocken aus.Der Nano-Photosynthetisator blickte vielleicht gerade durch denSpalt und wurde blass angesichts der leichten Schwebstoffdecke.Jenekaum wahrnehmbaren Partikelchen, die sich weigerten, einfach trägeAsche zu werden und ihre Existenz unter der Straßendecke aus-zuhauchen.Stattdessen irrten sie rebellisch in der Luft herum undträumten von atlantischen Winden, die sie über die Voralpen, über dieRiesen der Dolomiten und weiter ziehen lassen würden.Aus dem Fenster von Signor Speggiorins Büro sah man die Rauch-fahnen aus den Schloten, die in die Richtung der vorherrschendenWinde wehten.Stucky erkundigte sich bei der Sekretärin, ob der Chef ein privatesBadezimmer gehabt habe.Die Frau war sprachlos.»Ich habe eine sehr vertrauliche Frage an Sie«, flüsterte Stucky.»Ging Ihr Chef zusammen mit dem Lagerverwalter pinkeln, oder zog eres vor, seine Blase ohne Zeugen zu entleeren?«Allein.Die Sekretärin begleitete Stucky.Die Tür war zugesperrt.»Der Schlüssel?«»Ist wohl im Schreibtisch«, sagte die Frau.91/246Aber auch die Schreibtischschubladen waren zugesperrt.Stucky probierte den Sessel des Kommissars aus, um zu sehen, wie erdie Rückenlehne benutzte, wie er die Ellenbogen aufstützte und ob dieRollen des Sessels auf dem Fußboden Spuren hinterlassen würden undwenn ja, in welche Richtung.Gerade beugte er sich über den Fußboden, als Kommissar Leonardiins Büro hereinrauschte, gefolgt von Spreafico.»Stucky!«»Herr Kommissar & «»Sollten Sie nicht ins Dorf gehen und die Glocken läuten? Was Sie jabekanntlich am besten können.«»Ich bin etwas zu früh in Treviso losgefahren.Und der Arbeitsplatzeines Ermordeten kann durchaus von Bedeutung sein.«»Genau so ist es! Aber Durchsuchungen sind meine Sache.Wir sehenuns später im Polizeipräsidium.«Stucky warf einen fragenden Blick auf Spreafico, der sich jetzt wie im-mer, wenn es brenzlig wurde, über den Kinnbart strich.Die Sache lief nicht glatt.»Herr Kommissar, wissen wir etwas über die Schusswaffe?«»Von den Patronenhülsen her, die wir am Tatort gefunden haben,und den Projektilen, die aus dem Körper des Opfers entfernt wurden,Kaliber.22, vermuten wir, dass es sich um eine Bernardelli 69 aus demJahr 1976 gehandelt hat.«»Nie gehört«, sagte Stucky.»Spreafico, erklär dem Inspektor, von welcher Waffe wir reden.«Agente Spreafico schilderte Bau, typische Merkmale, Details.»Eine Sportpistole?«»Genau.Ein Sportschütze also.«»Und so ein Sportschütze verschenkt einen Schuss auf eine Ent-fernung von weniger als einem Meter?«»Stucky, dies hier ist eine Ermittlung, bei der Sie Ihre blühendeFantasie zügeln müssen.Seien Sie höflich.Sind Sie denn nicht Perser?«»Zur Hälfte.«»Dann seien Sie bitte zu einer Hälfte höflich und zur anderenvorsichtig.«92/246Bei Sonnenlicht besehen, wirkte Don Ambrosio auf Stucky wie einMann, der es geschafft hatte, sich alle Scherereien des Lebens vom Halszu halten.Glatte Haut, ohne jene Anzeichen der Kapillargefäße auf dem rosigenGesicht, die unter der Oberfläche brodelnde Gefühle verraten; kaum eingraues Haar, Hände wie ein Jugendlicher und ein wachsamer, aberweicher Blick.Ein Beichtvater, der mit großherzigem Wohlwollen dieAbsolution erteilte.Er ließ den Inspektor in einem kleinen Arbeitszimmer Platz nehmen,das modern und zweckmäßig eingerichtet war.Keine Spur mehr vonden alten Pfarrhausmöbeln, auf die Antiquitätenhändler so scharf sind.Nur eine Schreibmaschine kündete noch von vergangenen Zeiten.»Zwei Ihrer Gemeindemitglieder sind vom Herrn innerhalb wenigerTage abberufen worden, und das im Eiltempo.Beunruhigt Sie dasnicht?«, hob Stucky an, nachdem er sich auf einen Aluminiumstuhl ge-setzt hatte.»Hören Sie auf damit! Dieses Jahr ist alles in allem gut gelaufen undjetzt diese beiden Unglücke!«»Inwiefern : gut9 ?«»Wissen Sie, jedes Jahr hat seine eigene Sterblichkeitsrate.Ich führeüber meine Gemeindemitglieder Buch und kenne ihre persönlichenDaten und ihren Gesundheitszustand.Wenn wir an Silvester SchlagMitternacht darauf anstoßen können, dass wir die Erwartungen im pos-itiven Sinn übertroffen haben, bin ich wirklich zufrieden.«»Sie stoßen also nicht auf das neue Jahr an, sondern auf die Ab-nahme der Zahl der Beerdigungen?«»Gewiss.«»Sie erwarten also jedes Jahr eine bestimmte Anzahl vonSterbefällen?«»Natürlich.Ich notiere an jedem Neujahrstag die Vorhersagen inmeinem Kalender.«»Und wer hat dieses Jahr den Wettbewerb gewonnen: das Lebenoder der Tod?«»Wenn man von dem schrecklich traurigen Hinscheiden eines klein-en Jungen Anfang des Jahres absieht und von dem, was jetzt dem93/246Grafen Ancillotto und Signor Speggiorin widerfahren ist, war es einvortreffliches Jahr.«»Die drei Verstorbenen passen also nicht in Ihre Vorhersagen?«»Überhaupt nicht [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ]
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.»Er war ja recht sportlich & er trainierte seine Kniekehlen undGesäßmuskeln mit einem schönen Umberto-Dei-Rad.Mögen SieFahrräder?«Desinteressiert zuckte die Sekretärin mit den Achseln.Stucky stellte sich Speggiorin als großspurigen und dickfelligen Mannvor.Sein Büro war ein anonymer Kasten: neue Möbel, graue Aktens-chränke, ordentliche Papierstapel auf dem Schreibtisch.Nichts Persön-liches, kein Foto, auch kein Nagelknipser oder Heiligenbildchen.Nichteinmal ein schöner Füllfederhalter, etwa ein Mont Blanc für Ingenieure.Nichts.Der Inspektor blätterte herum.Aufträge, Scheine, Rechnungen.Produktanalysen.Analysen des Rauchs, der aus den Schornsteinenaufsteigt.Er betrachtete den Bonsai in der Nähe des Fensters, der erschrockenaussah.Bonsais sehen immer ein bisschen erschrocken aus.Der Nano-Photosynthetisator blickte vielleicht gerade durch denSpalt und wurde blass angesichts der leichten Schwebstoffdecke.Jenekaum wahrnehmbaren Partikelchen, die sich weigerten, einfach trägeAsche zu werden und ihre Existenz unter der Straßendecke aus-zuhauchen.Stattdessen irrten sie rebellisch in der Luft herum undträumten von atlantischen Winden, die sie über die Voralpen, über dieRiesen der Dolomiten und weiter ziehen lassen würden.Aus dem Fenster von Signor Speggiorins Büro sah man die Rauch-fahnen aus den Schloten, die in die Richtung der vorherrschendenWinde wehten.Stucky erkundigte sich bei der Sekretärin, ob der Chef ein privatesBadezimmer gehabt habe.Die Frau war sprachlos.»Ich habe eine sehr vertrauliche Frage an Sie«, flüsterte Stucky.»Ging Ihr Chef zusammen mit dem Lagerverwalter pinkeln, oder zog eres vor, seine Blase ohne Zeugen zu entleeren?«Allein.Die Sekretärin begleitete Stucky.Die Tür war zugesperrt.»Der Schlüssel?«»Ist wohl im Schreibtisch«, sagte die Frau.91/246Aber auch die Schreibtischschubladen waren zugesperrt.Stucky probierte den Sessel des Kommissars aus, um zu sehen, wie erdie Rückenlehne benutzte, wie er die Ellenbogen aufstützte und ob dieRollen des Sessels auf dem Fußboden Spuren hinterlassen würden undwenn ja, in welche Richtung.Gerade beugte er sich über den Fußboden, als Kommissar Leonardiins Büro hereinrauschte, gefolgt von Spreafico.»Stucky!«»Herr Kommissar & «»Sollten Sie nicht ins Dorf gehen und die Glocken läuten? Was Sie jabekanntlich am besten können.«»Ich bin etwas zu früh in Treviso losgefahren.Und der Arbeitsplatzeines Ermordeten kann durchaus von Bedeutung sein.«»Genau so ist es! Aber Durchsuchungen sind meine Sache.Wir sehenuns später im Polizeipräsidium.«Stucky warf einen fragenden Blick auf Spreafico, der sich jetzt wie im-mer, wenn es brenzlig wurde, über den Kinnbart strich.Die Sache lief nicht glatt.»Herr Kommissar, wissen wir etwas über die Schusswaffe?«»Von den Patronenhülsen her, die wir am Tatort gefunden haben,und den Projektilen, die aus dem Körper des Opfers entfernt wurden,Kaliber.22, vermuten wir, dass es sich um eine Bernardelli 69 aus demJahr 1976 gehandelt hat.«»Nie gehört«, sagte Stucky.»Spreafico, erklär dem Inspektor, von welcher Waffe wir reden.«Agente Spreafico schilderte Bau, typische Merkmale, Details.»Eine Sportpistole?«»Genau.Ein Sportschütze also.«»Und so ein Sportschütze verschenkt einen Schuss auf eine Ent-fernung von weniger als einem Meter?«»Stucky, dies hier ist eine Ermittlung, bei der Sie Ihre blühendeFantasie zügeln müssen.Seien Sie höflich.Sind Sie denn nicht Perser?«»Zur Hälfte.«»Dann seien Sie bitte zu einer Hälfte höflich und zur anderenvorsichtig.«92/246Bei Sonnenlicht besehen, wirkte Don Ambrosio auf Stucky wie einMann, der es geschafft hatte, sich alle Scherereien des Lebens vom Halszu halten.Glatte Haut, ohne jene Anzeichen der Kapillargefäße auf dem rosigenGesicht, die unter der Oberfläche brodelnde Gefühle verraten; kaum eingraues Haar, Hände wie ein Jugendlicher und ein wachsamer, aberweicher Blick.Ein Beichtvater, der mit großherzigem Wohlwollen dieAbsolution erteilte.Er ließ den Inspektor in einem kleinen Arbeitszimmer Platz nehmen,das modern und zweckmäßig eingerichtet war.Keine Spur mehr vonden alten Pfarrhausmöbeln, auf die Antiquitätenhändler so scharf sind.Nur eine Schreibmaschine kündete noch von vergangenen Zeiten.»Zwei Ihrer Gemeindemitglieder sind vom Herrn innerhalb wenigerTage abberufen worden, und das im Eiltempo.Beunruhigt Sie dasnicht?«, hob Stucky an, nachdem er sich auf einen Aluminiumstuhl ge-setzt hatte.»Hören Sie auf damit! Dieses Jahr ist alles in allem gut gelaufen undjetzt diese beiden Unglücke!«»Inwiefern : gut9 ?«»Wissen Sie, jedes Jahr hat seine eigene Sterblichkeitsrate.Ich führeüber meine Gemeindemitglieder Buch und kenne ihre persönlichenDaten und ihren Gesundheitszustand.Wenn wir an Silvester SchlagMitternacht darauf anstoßen können, dass wir die Erwartungen im pos-itiven Sinn übertroffen haben, bin ich wirklich zufrieden.«»Sie stoßen also nicht auf das neue Jahr an, sondern auf die Ab-nahme der Zahl der Beerdigungen?«»Gewiss.«»Sie erwarten also jedes Jahr eine bestimmte Anzahl vonSterbefällen?«»Natürlich.Ich notiere an jedem Neujahrstag die Vorhersagen inmeinem Kalender.«»Und wer hat dieses Jahr den Wettbewerb gewonnen: das Lebenoder der Tod?«»Wenn man von dem schrecklich traurigen Hinscheiden eines klein-en Jungen Anfang des Jahres absieht und von dem, was jetzt dem93/246Grafen Ancillotto und Signor Speggiorin widerfahren ist, war es einvortreffliches Jahr.«»Die drei Verstorbenen passen also nicht in Ihre Vorhersagen?«»Überhaupt nicht [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ]