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.Er beneidete ihn.So gut hätte erAlice auch kennen mögen.Aber er war eben kein Maler.KeinKünstler.Er hätte es nicht gewagt, in der blauen Bluse, dieClaude trug, bei einer so vornehmen Party zu erscheinen.Demsah man wahrscheinlich alles nach.Alice hatte nach ihmgerufen, und jetzt kam von der Terrasse her schon wieder eineDame, die offensichtlich auch seinen Schutz suchte.Eineleganter, etwas klein gebliebener Herr redete mit kurzenrunden Händchen auf diese Dame ein.Seine dicken Augenwaren weit aus dem rosigen Gesicht getreten.Seinekerzengerade nach vorne in die Stirn hineingekämmten Haarewaren verrutscht, einige hatten sich sogar übereinandergelegt, obwohl es doch gerade das peinlich genau zu beachtendePrinzip dieser Haartracht war, daß kein Haar über das anderezu liegen kam, daß alle sorgsam nebeneinander ausgebreitetwurden und alle eine Fingerbreite tief in der Stirn aufhörten;durch dieses Nachvornekämmen wußte man ja nie genau, wodie Stirn begann, so daß es auf jeden Fall aussah, als habe derTräger dieser Haartracht eine so hohe, so gewaltige Stirn, daßer gut und gerne einen Teil davon unter seinen Haarenverbergen konnte.Die Dame schien seiner Unterhaltungüberdrüssig zu sein, er aber war offensichtlich von derWichtigkeit seiner Ausführungen so überzeugt, daß er ihr nichtgestatten konnte, sich ihm zu entziehen.Sie machte wiedereine hilfesuchende Bewegung zu Claude hin.Der rief demHerrn zu, sich doch ein bißchen herzusetzen.Alice warübrigens kurz zuvor in den Salon nebenan gezogen worden,von dort hörte man sie jetzt singen.Ein Klavier begleitete sie.Der redelüsterne Herr wurde vorgestellt, das heißt, Claudestellte Hans ihm und der von ihm beredeten Dame vor.Siewurde einfach als Cecile bezeichnet, auch Hans sollte sie nurCecile nennen, da sie für alle Angehörigen der PhilippsburgerGesellschaft so heiße, ihr Kunstgewerbeschäft in derPhilippsstraße sie ihm bestimmt schon aufgefallen, jedemMenschen von Geschmack müsse es auffallen, das schicke»chez Cécile«, und sie sei die Inhaberin, seine Chefin übrigens,Claude lächelte Cecile breit und kindlich an, ja, vom Malenkönne er nicht leben, und Cecile sei eine gute Chefin.Die soVorgestellte strich Claude, der um einen Kopf kleiner war alssie, über das dunkle lange Haar.Sie war schön und groß undwirkte gleichzeitig mächtig, voll gewachsen und doch zart undfast durchsichtig.Ja, und der Herr, das sei Helmut MariaDieckow, der Dichter von Philippsburg; Claude gab dem »der«eine Betonung, die besagen sollte, daß die Dichterschaft diesesrosigen kleinen Herrn, der sicher noch keine Vierzig war, alle anderen Anwärter auf diese Würde von vornherein ausschloß.Helmut Maria Dieckow schloß seine ungestalten undunerkennbar im Gesicht verschwimmenden Lippen, neigte denKopf kaum merklich und betrachtete Hans eine Sekunde langaus winzigen Pupillen, so daß sich unter Hans Füßenaugenblicklich der Boden öffnete und er in unendlicherGeschwindigkeit versank und den Kopf immer weiter in denNacken pressen mußte, um noch zu Herrn Dieckowaufschauen zu können.Glücklicherweise begann der Dichterjetzt gleich wieder zu reden; er setzte seine Rede an Cecileohne jede Scheu vor aller Ohren fort; dank dieser Rede konnteHans beginnen, aus seinem Abgrund wieder nach oben zuklettern, ganz langsam, Schritt für Schritt und vorsichtig, dennwurde Herr Dieckow noch einmal auf ihn aufmerksam, traf ihnnoch einmal dieser nadelspitze Blick, so würde erwahrscheinlich für immer aus diesem Salon versinken, hinabin die Abgründe seiner eigenen Nichtswürdigkeit.HerrDieckow sprach von seiner Herkunft, einer einfachen Herkunftfürwahr, und darauf sei er stolz, denn alle Menschen würdengleich geboren, erst die Kraft, die einem innewohne, schaffedann die Abstände.Gesellschaftlicher Rang gelte ihm nichts,rief er aus und legte seine Daumen hinter die seidenenSchalkragenrevers seines azurblauen Jacketts.Er bete Cécilean und ertrage es nicht länger, daß sie immer die schlichteHandelsfrau vorschütze, die geschäftstüchtige Ladenbesitzerin,die eines Dichters nicht würdig sei.Lächerlich, ein Dichter, erkönne das Wort nicht mehr hören, diese Bürgererfindung! Ersei ein Mann des Wortes, und seiner sei jeder würdig, dermenschlich intakt sei.Intakt, sagte er und sah prüfend in dieRunde.Hans sah schnell auf seine Fingernägel hinab und hobdann seine Augen vorsichtig bis in das großflächige GesichtCéciles.Sie hörte demütig zu, mit angeatmeten Nasenflügelnund fromm geschürztem Mund.Ob sie schon dreißig war? Sicher nicht.Hans hätte sie gerne sprechen hören, aber daranwar vorerst nicht zu denken.Helmut Maria Dieckow war durchdie vermehrte Zuhörerschaft in große Erregung geraten.Erhalte nichts von heimlicher Anbetung und Minnesängerei.Mitglasklarem Bewußtsein gebe er sich Rechenschaft über seineEmpfindungen, und er sehe nicht ein, warum er ausirgendeiner seiner Empfindungen ein Geheimnis machen solle,im Gegenteil, Äußerung sei sein Metier, und wenn er die Fraudes Oberbürgermeisters liebe, was ihm übrigens niemals, auchnicht im Traum, passieren könne, da er diese affektierte Gans und wieder schaute er in die Runde, um den Lohn für seineschrankenlose Offenheit zu kassieren, denn er war, wie Hansspäter hören konnte, ein Protektionskind derOberbürgermeisterfamilie und hatte ihr viel zu danken einfach nicht leiden könne, aber selbst wenn er sie liebenwürde, er sagte es frei heraus am Tisch jeder noch so feinenGesellschaft, auch in Gegenwart seiner eigenen Frau! Undwenn da jemand meine, er müsse über ihn, den Mann desWortes, lächeln, weil er seine Liebe zu Cecile sohinausposaune, dann gestatte er diesem Lächler jede Freiheit;über einen Künstler könne man leicht lächeln, allerdings auchnur dann, wenn man selbst von traurigster Machart sei.Inseinem letzten Roman »Schwertfisch und Mond« habe er esübrigens einigen Lächlern heimgezahlt.Claude flüsterte Hanszu, das habe Dieckow tatsächlich getan.Er habePhilippsburger Persönlichkeiten ziemlich kraß dargestellt unddafür viel Beifall erhalten [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ]
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